Übersetzer
Zielsprache: Deutsch
Ausgangssprachen: Englisch, Tschechisch, Niederländisch
Schwerpunktbereiche: Brett- und Rollenspiele, Wissenschaft, Publizistik
Mitgliedschaften: VdÜ, MÜF, DGfS
Spiele übersetzen
Im Unterschied zu Computerspielen erhalten analoge Spiele (Brettspiele, Familienspiele, Rollenspiele, ...) nur selten Aufmerksamkeit als Gegenstand der Übersetzung. Bei näherer Betrachtung ist das nicht fair, handelt es sich doch einen Aufgabenbereich, der Übersetzenden ein Spektrum von Fertigkeiten abverlangt, das sonst so rasch nicht in einem einzelnen Auftrag zusammenkommt. Je nach Auftrag werden Spieleübersetzenden in unterschiedlichem Ausmaß Fertigkeiten aus den Bereichen der Übersetzung von Sach- und Fachtexten, juristischen Texten, Literatur und der Terminologiearbeit abverlangt. Im einzelnen:
Regeln
Bei den Regeln handelt es sich prima facie um die Gebrauchsanweisung für ein Spiel. Was ist zu tun, in welcher Abfolge, unter welchen Bedingungen, usw. Kern der Aufgabe ist hier, Lesenden dazu ermächtigen, das Spielmaterial in der von den Autoren vorgesehenen Weise zu verwenden, und Missverständnissen vorzubeugen. Vergleichbare Texte wären etwa Gebrauchsanleitungen oder Kochrezepte.
Dazu gilt es allerdings noch mindestens eine stilistische Frage zu klären - denn wie sollen die Lesenden angesprochen werden? In englischen Texten findet sich gerne das Pronomen you - dessen Entsprechung im Deutschen neben "du" (für vertrauliche 2.Sg.), "Sie" (für förmliche 2.Sg., formidentisch mit 3.Pl.) und "ihr" (2.Pl.) auch "man" (unpersönliche 3.Pl.) sein kann. Wie hätten Sie's denn nun also gerne?
(Die gebräuchliche Form des Verbs in deutschen Kochrezepten ist dabei keine der genannten, sondern der völlig unflektierte Infinitiv ("Drei Eier unterheben."). Der findet sich auch in Gebrauchsanweisungen, sofern nicht einer höflichen direkten Rede der Vorzug gegeben wird ("Betätigen Sie den Kippschalter.").)
Spielmaterial
Nicht selten gilt es schon in den Spielregeln, darauf zu achten, wie über das Spiel und seine Elemente gesprochen werden soll - meist gibt es ein Thema, das über einer grundsätzlich abstrakten Mechanik sitzt. (Poker etwa hat keine solche Metapher, doch z.B. Schach handelt von einer kriegerischen Auseinandersetzung, oder Monopoly vom Immobilienmarkt.) Hat der Spielplan "Kästchen", "Felder" oder "Straßen"? Oder sollen es "Bauplätze" sein? Werden Dinge gegeneinander "getauscht" oder "verkauft"? Haben die Spielenden "Karten" in der Hand, oder sollte man von "Pergamentrollen" sprechen? Sind das wirklich "Chips", oder sollen sie "Taler" heißen? Oder gar "Pflaumen"? "Klötzchen" oder "Ritter"?
Vorderhand klingt das selbstverständlich ganz einfach - "steht doch alles schon in den Regeln drin". Doch das ist es nicht. Denn wenn die roten Steinchen hinter meinem Schirm die power meiner Spielfigur bemessen sollen, von der sie bei jedem gegnerischen Treffer etwas verliert, dann heißt das auf deutsch natürlich... wie? "Macht"? "Kraft"? "Leistung"? "Energie"? "Trefferpunkte"?
Aufgabe ist also, die Metapher des Spieles beizubehalten - doch zugleich sollte die Terminologie, die für das Spiel geschaffen wird, am Spieltisch auch einigermaßen unproblematisch zu verwenden sein. Practicality mag bemessen, wie sehr meine Spielfigur zu Tagträumereien neigt, doch wie sagt man das auf Deutsch, wenn man ständig drüber redet? "Sachlichkeit"? "Praktizismus"? "praktische Veranlagung"?
Beschriftung, Kartentexte
Es hört noch immer nicht auf: denn häufig trägt auch das eben halbwegs brauchbar bezeichnete Spielmaterial seinerseits irgendwelche Beschriftungen. Auch diese müssen wieder nachvollziehbar in die Metapher passen, sollten häufigem sprachlichen Gebrauch standhalten, und regeltechnisch alles berücksichtigen.
Das ist nicht so ganz einfach, wie sich bei Betrachtung der bekannten Monopoly-Karte "Du kommst aus dem Gefängnis frei" unschwer feststellen kann. [...] Gerne werden auf dieser Ebene auch Scherze gemacht ("Du gewinnst einen Schönheitswettbewerb") - sind die auch dann noch lustig, wenn die Karte zum 215. Mal gezogen wird?
Die Übersetzung dieser Ebene stellt beide der o.a. Ansprüche und verlangt zuweilen auch ein wenig Gespür für das, was ein solcher Text bei den Lesenden jenseits des rein Regeltechnischen erreichen will, d.h. eine Art literarischen Effekt (bzw. aesthetische Funktion, für die Strukturalisten unter den Mitlesenden).
Narrative
Nicht in allen Spielen gibt es regelrechte Erzähltexte; bei denjenigen freilich, die welche haben, bedürfen auch die einer Übersetzung. Diese sollten natürlich unter den üblichen Gesichtspunkten des literarischen Übersetzens übertragen werden; dazu kommt in soundsovielen Fällen die Anforderung, dass der Text zum Vorlesen gedacht ist und dem angemessen aufbereitet werden sollte.
Preise: Die gebräuchliche Verrechnungseinheit für Übersetzungen ist die Normseite, entsprechend der klassischen Schreibmaschinenseite. Preisangaben dafür hängen jedoch ab von einer Vielzahl von Faktoren (Textanspruch, Abgabefristen, usw.) -- weswegen es mir widerstrebt, hier pauschale Angaben zu machen. Zu konkreten Projektdaten gebe ich jedoch gerne auch persönlich Auskunft.
Soviel hatten Sie sich allerdings selber schon gedacht, nicht wahr? Und trotzdem hoffen Sie, vielleicht doch noch irgendwas herausfinden zu können, und das ist der einzige Grund, warum Sie immer noch hier sind?
Na schön, dann will ich mal nicht so sein und ein paar Eckdaten verraten...
Im Literatursektor ist der allgemeine Ratschlag, sich ganz schnell von der Vorstellung befreien, irgendwo eine Übersetzung von konstanter Qualität (von hoher Qualität dabei noch ganz zu schweigen!) für einstellige €/Seite abholen zu können.
Im Spielesektor geht es noch etwas anders zu -- nicht dass die Aufgabe einfacher wäre (siehe unten), doch die Kostenfaktoren sind tendenziell mehr, die Kalkulationen der Verlage viel knapper, es gibt mehr mögliche Mitarbeitende (ja, auch Übersetzende), die von einem olympischen Geist des Dabeisein-ist-alles getragen werden (ob das allerdings auch zur Qualität der Ergebnisse beiträgt, sei dahingestellt). Doppelt schwierig also, etwas über Preise zu sagen... vielleicht jedoch soviel: es wurde um die Jahrtausendwende für die offizielle deutsche Ausgabe eines großen amerikanischen Systems 5 (fünf) DM/Seite gezahlt; schlechtere Angebote sollten heutzutage (immerhin fast zwanzig Jahre später!) als geradezu ehrenrührig gelten (allerdings nur Ihre Ehre, nicht die meine).